Mongolei
1991 trat die Mongolei aus dem Schatten der Sowjetunion. Eine von den Mongolen selbst so getaufte demokratische Revolution katapultierte die Volksrepublik Mongolei aus der Situation eines sowjetischen Satrapen, in der sie sich seit 1921 befunden hatte, in die politische und wirtschaftliche Selbstbestimmung. Seit 1991 entscheidet nicht mehr der große Bruder im Westen – die Sowjetunion – wie sich Wirtschaft und Kultur des Landes entwickeln sollen, sondern die mongolische Bevölkerung selbst.
Das Ergebnis ihrer Wahl verblüffte alle Beobachter: Zwar verabschiedete die mongolische Regierung – nicht anders als andere Länder des ehemaligen sowjetischen Einflussbereiches – ein politisches Programm, das die sofortige und vollkommene Privatisierung des Landes nach westlichen Vorgaben vorsah. Der im Zuge der sowjetischen Krise auch hier ins Stocken geratenen Modernisierung sollte damit neue Schubkraft verliehen werden.
Wie erstaunt aber waren die Statistiker des Landes, als sie feststellen mussten, dass in der Folge der Privatisierung nicht eine Modernisierung westlicher Art stattfand, sondern dass sich die Bevölkerung des Landes verstärkt dem nomadischen Leben zuwandte. Lebten am Ende der sowjetischen Zeit nur noch 27 Prozent der Bevölkerung in nomadischen Verhältnissen, so war deren Zahl bis 1996 auf 45 Prozent angestiegen. Gleichzeitig aber platzte die Hauptstadt Ulaanbaatar aus allen Nähten, wuchsen die Vororte zu unüberschaubaren Slums an, in denen sich Arbeitslosigkeit und eine zunehmend unkontrollierbar werdende städtische Kriminalität ausbreitet.
Zwei Welten stießen aufeinander, deren Entwicklung sich kaum miteinander zu vereinbaren scheint: die explosionsartige Entwicklung urbaner Industriekultur nach westlichen Standards, mit der Kehrseite von städtischem Massenelend auf der einen Seite, die Rückkehr zu den traditionellen Wirtschafts- und Lebensweisen der nomadischen Kultur auf der anderen. Wie ist das zu bewerkstelligen?
Wie kann die Modernisierung einer in ihren Grundzügen nomadischen Gesellschaft aussehen, ohne dass dabei die traditionellen kulturellen Werte vollends zerstört werden? Wie kann eine Rückbesinnung auf die traditionellen Werte aussehen, ohne in mittelalterliche oder gar vormittelalterliche Lebensweisen Zurückzufallen? Dies waren die Fragen, die sich dem Kongress stellten.
Dies waren auch die Fragen, denen der Autor der Sendung in seiner anschließenden Recherche im Land selber weiter nachspürte. Wie ist das Leben in den Jurten draußen in der Steppe? Worin besteht ursprüngliche nomadische Wirtschaftsweise, die heute in der Mongolei wieder aufleben könnte? Was bleibt andererseits von der Jurte, wenn sie in die Stadt versetzt wird?
Mit einer Gesamtfläche 1.566.500 km ist die Mongolei ca. viermal so groß wie die Bundesrepublik Deutschland. Die Ost-West-Distanz misst 2.392 km, die Nord-Süd-Distanz 1.259 km. Das Land liegt zwischen Russland (Norden) und der Volksrepublik China (Süden, Osten und Westen) und besitzt keinen Zugang zum Meer.
Das Land ist ein Hochland, die mittlere Höhenlage liegt bei 1.580 m über dem Meeresspiegel ,und wird in fünf topografische Zonen unterteilt: Das Altai-Gebirge im Westen (bis 4.300 m hoch), die daran angrenzende große Senke mit zahlreichen Seen, der Changai-Chentij-Komplex im Norden mit den fruchtbaren Flächen des Selenge-Tuul-Beckens, nördlich davon das mongolische Hochplateau (an Russland angrenzend) und die süd-östliche Wüste Gobi. 80 Prozent des Landes werden als Weideflächen genutzt, landwirtschaftlicher Anbau ist auf Grund der Bodenbeschaffenheit und des Klimas bei nur 1 Prozent der Flächen möglich. Lange, trockene Winter und kurze Sommer prägen das Klima; die Durchschnittstemperatur im Sommer (Ulaanbaatar) beträgt ca. 16-17 Grad, im Winter ca. – 22,5 Grad. Im Jahr 1997 lebten ca. 2,3 Millionen Menschen in der Mongolei, das entspricht einer Bevölkerungsdichte von 1,4 Einwohner pro km. Ca. 88 Prozent der Bevölkerung sind Angehörige verschiedener mongolischer Stämme, die meisten davon gehören dem Stamm der Chalcha an; 6 Prozent sind Kasachen, ca. 5,5 Prozent Russen und Chinesen. Die Zahl der Einwohner stieg in den letzten Jahren sprunghaft an – trotz hoher Kindersterblichkeit. Die Mongolei lag lange Zeit – was das Wachstum der Bevölkerung betrifft – mit an der Spitze aller Länder. Im Jahr 1989 waren ca. 44 Prozent der Mongolen unter 15 Jahre, 75 Prozent unter 35 Jahre alt. Die Zahl der Geburten und der Säuglingssterblichkeit nahm aber im Jahr 1997 wieder ab.
Russland unterstützte schon früh die Mongolei in ihren Autonomiebewegungen und beeinflusste in den Folgejahren das Land politisch, wirtschaftlich und ideologisch. Der Handel war lange Zeit fest in den Händen russischer und chinesischer Kaufleute. Mit den wirtschaftlichen Problemen in den Partnerländern geriet auch die mongolische Wirtschaft in eine tiefe Krise. So verringerten sich 1991 die Exporte der Mongolei um mehr als 50 Prozent, die Importe um ca. 60 Prozent. Die Mongolei ist reich an Bodenschätzen: Kohle, Eisen, Gold, Kupfer, Zinn, Silber, Flussspat u.a., lagern in den Böden des größtenteils noch unerschlossenen Landes, werden aber auf Grund der schlechten Infrastruktur derzeit noch nicht in vollem Umfang abgebaut.
Quelle: br-online.de